Ampel einigt sich zum "Klimaschutz" – der Moment der Wahrheit wird nur herausgezögert
Von Dagmar Henn
Eigentlich schade, dass Die Grünen in der Ampel nachgegeben haben. Das Fahrverbot, mit dem der FDP-Verkehrsminister Volker Wissing drohte, hätte zumindest einmal live vorgeführt, was der wahre Haken an der gesamten "Klimapolitik" ist: Sie ist Unfug, und selbst wenn sie keiner wäre, würde sie auch nicht funktionieren.
Nun haben sie sich also in Berlin geeinigt, die schon unter Merkel eingeführte Vorgabe von CO₂-Budgetzielen für jedes Ministerium zu kippen, weil die Vorgabe im Sektor Verkehr einfach nicht einzuhalten war und Wissing etwas unternehmen musste, um die Bilanz seiner Partei aufzupolieren, die aus dem Parlament zu fliegen droht. Es wäre interessant zu wissen, wie da eigentlich das Pistorius-Ministerium fährt, das seinen schweren Treibstofffressern derzeit so gerne Auslauf gönnt. Jetzt soll also die Vorgabe nicht mehr ganz so eng gesehen werden, zeitlich gestreckt und zwischen den einzelnen Referaten ausgeglichen werden. Und damit es hübscher aussieht, gibt es noch eine Runde Förderung für Solaranlagen obendrauf.
1/2 Klimaschutz bekommt ein starkes Update - ganz ohne Fahrverbot & trotzdem müssen alle Sektoren liefern! Mit dem #Klimaschutzgesetz schaffen wir erstmals einen Mechansismus, der für 2040 verbindliche & ambitionierte Ziele festlegt & erreichbar macht. Dazu kommt das Solarpaket👇 pic.twitter.com/EP1Ur6j4Ex
— Grüne im Bundestag 🇪🇺🏳️🌈 (@GrueneBundestag) April 15, 2024
Das wirkliche Problem ist aber nicht, dass das Verkehrsministerium gar nicht so viel CO₂ einsparen kann, wie es müsste. Das wirkliche Problem ist, dass das mit all diesen Vorgaben so passieren wird, weil sie gar nicht realisierbar sind, und das in einem Umfang, dass man sich allmählich fragen muss, ob nicht die vermeintliche Nebenwirkung die beabsichtigte Hauptwirkung ist.
In Oranienburg – noch im Speckgürtel von Berlin gelegen – haben jetzt die Stadtwerke erklärt, sie könnten für die Elektroenergieversorgung keine Neuanschlüsse oder Leistungserhöhungen mehr genehmigen. Letzteres bezieht sich beispielsweise auf Wärmepumpen, vor allem aber auf die Ladeanschlüsse von Elektrofahrzeugen. Das Umspannwerk, von dem Oranienburg seinen Strom bezieht, könne die Kapazität nicht erhöhen. Klar, Berliner Speckgürtel zu sein, bedeutet hohe Bauaktivität für wohlhabende Westdeutsche, die in Berlin arbeiten, aber nicht leben wollen und ansonsten zu einem großen Teil Grüngläubige sind. Das bedeutet, dass mindestens eines ihrer Autos eine Lademöglichkeit braucht. Das Stromnetz von Oranienburg wurde höchstwahrscheinlich für weniger Einwohner mit einem weitaus geringeren Stromverbrauch konzipiert. Die Stadtwerke bauen zwar an einem eigenen Umspannwerk, das wird aber erst im Jahr 2026 fertig (sofern dieser Zeitplan eingehalten werden kann). Bis dahin lebt Oranienburg also auf Stromdiät.
Oranienburg ist die erste, aber bestimmt nicht die letzte Kommune, die vor diesem Problem steht. Eine wirkliche Berechnung und Planung bezogen auf die Stromnetze gibt es nicht und kann es auch gar nicht geben, wenn der Betrieb der Netze und die Stromversorgung selbst in unterschiedlichen Händen sind. Alles, was privatisiert werden konnte, wurde auch privatisiert, aber gleichzeitig wurden mit politischen Vorgaben wie den Kraftwerksabschaltungen, dem Verzicht auf russisches Erdgas oder dem Heizungsgesetz ständig neue Unsicherheiten erzeugt. Es gibt nur Gutachten oder Studien, die aus dem geschlossenen Biotop der Klimaszene stammen und mit ökonomischen Erfahrungen wenig zu tun haben, wie man daran sehen kann, dass viele dieser Vorgaben genau das Gegenteil dessen bewirken, was sie bewirken sollen. So, wie auch das Heizgesetz mitnichten anspornt, die vorhandene Heizung durch die angepriesene "klimafreundliche" Lösung zu ersetzen, sondern dafür sorgt, dass selbst die ganz gewöhnlichen Sanierungen nicht mehr stattfinden.
Wenn sich jetzt Die Grünen und die FDP wieder ganz toll liebhaben, weil den Liberalen ein kleiner Rettungsring zugeworfen wurde (zugegeben, den meisten Mist hat Wissing schon übernommen), dann täuscht das nicht darüber hinweg, dass die Schwierigkeiten, die Wissing zu der Drohung mit Wochenendfahrverboten veranlassten, nur der Anfang sind.
Vergangene Woche hat das EU-Parlament beschlossen, bis 2040 müssten die Emissionen neuer Lkw um 90 Prozent gegenüber dem Stand im Jahr 2019 reduziert werden. Es fehlt noch der bestätigende Beschluss der zuständigen Minister, aber der steht im Grunde nicht in Zweifel. Unser Wochenendheld Wissing hat sich dafür eingesetzt, dass Lkw, die mit "klimaneutralen E-Fuels" fahren, auch nach 2040 noch zugelassen werden dürfen. E-Fuels, das ist im Prinzip die Wiedergeburt des synthetischen Benzins, an dem sich schon die Nazis versuchten (wenn auch aus anderen Gründen).
Stadtbusse dürfen ab 2035 nicht mehr mit Diesel fahren, und schon im Jahr 2030 sollen die Emissionen aus dem Lieferverkehr um 45 Prozent gesenkt sein. Nachdem bisherige Versuche mit Elektro-Lkw nicht wirklich erfolgreich waren, sind die Aussichten für 2030 nicht wirklich gut. Auch wenn jetzt von deutschen Politikern davon geredet wird, es solle alle 60 Kilometer an jeder Straße Lademöglichkeiten für Lkw geben, sollte man mal anfangen darüber nachzudenken, welche Flächen dafür benötigt würden, wenn alle Lkw, die derzeit auf deutschen Autobahnen unterwegs sind, auch nur alle 200 Kilometer aufladen müssten, und welche Kraftwerkskapazitäten dafür benötigt würden, die es natürlich nicht gibt.
Interessant ist, dass die Lkw-Produzenten sich nicht sonderlich gegen diese Pläne zur Wehr gesetzt haben. Aber vermutlich beruht die Lösung des Rätsels auf zwei Punkten. Zum einen kann man ja Produktion und Verkauf schlicht in Weltgegenden verlagern, die nicht von diesem Glauben befallen sind, und zum anderen reagieren sie in Bezug auf die EU ebenso wie die Rüstungsindustrie: Es ist uns doch gleich, wenn wir überteuerten Schrott liefern, solange er gekauft und bezahlt wird.
Denn es sind ja letztlich nicht die Unternehmen, die Lkw bauen, die am Ende darunter leiden, wenn die gesamte Infrastruktur im Gütertransport zusammenbricht. Es sind die gewöhnlichen Deutschen, die darauf angewiesen sind, dass Nahrungsmittel in den Supermarkt gelangen. Es gibt immer noch genug Erwachsene, die allen Ernstes glauben, eine Großstadt ließe sich mit Lastenfahrrädern versorgen.
Das würde selbst dann nicht funktionieren, wenn wenigstens das Bahnnetz noch so zahlreiche Nebenstrecken und Firmenanschlüsse besäße wie einst, aber die Karten wären etwas besser. Gerade in den Großstädten hat man aber derartige Schienenanschlüsse abgebaut, wo immer das möglich war, weil die Grundstücke teuer verkauft werden konnten. Einst hatte jeder Großmarkt einen Bahnanschluss, über den er beliefert werden konnte. Das Wachstum Münchens zur Millionenstadt konnte überhaupt erst Fahrt aufnehmen, als die Bahn nach Italien stand, die die Stadt mit Obst und Gemüse versorgen konnte. Das war Mitte des 19. Jahrhunderts der Fall. Frankfurt am Main beispielsweise hat nicht nur den Bahnanschluss beseitigt, sondern auch noch den Großmarkt selbst weit an den Stadtrand verlegt, um dann das Grundstück viel zu billig der EZB zu verkaufen. Und seitdem funktioniert dieser Großmarkt nicht mehr richtig.
Christian Lindner, der FDP-Vorsitzende, jubelt auf X über die Einigung der "Ampel":
Das neue #Klimaschutzgesetz überwindet die Planwirtschaft der CDU-Vorgängerregierung. Mehr Kosteneffizienz durch Marktwirtschaft ist nun möglich. Auch drakonische Maßnahmen wie Fahrverbote in potentiell nötigen Sofortprogrammen entfallen. Das stärkt die Akzeptanz und senkt…
— Christian Lindner (@c_lindner) April 15, 2024
In der Planwirtschaft wäre so etwas nicht passiert, schon allein deshalb, weil die Zahlen für die erforderlichen Berechnungen vorgelegen hätten, Zahlen, die heute weder das Finanz- noch das Wirtschaftsministerium besitzen. Beispielsweise fehlen genaue Angaben darüber, wo das genannte Problem von Oranienburg noch auftauchen könnte.
Wenn man allerdings ehrlich ist, ergibt es schon Sinn, sich derartige Zahlen nicht allzu genau vorzunehmen, solange man dem Klimawahn folgen will. Haben Sie schon einmal etwas vom Wasserverbrauch von Solarzellen gehört? Die Dinger vertragen keinen Staub. Deswegen sind auch die ganzen tollen Ideen von den großen Solarkraftwerken in der Wüste gescheitert – Sand schmirgelt, und schon sackt der Wirkungsgrad der Solarzelle in den Keller. Oder die Nummer mit dem Wasserstoff: Für ein Kilo Wasserstoff muss man erst einmal neun Kilo, also Liter Wasser einsetzen, ganz zu schweigen davon, dass H2 das kleinste Molekül ist, das sich finden lässt, was es wesentlich aufwändiger macht, ein Leitungsnetz dicht zu bekommen, als das bei Erdgas der Fall ist. Und hochreaktiv ist der Wasserstoff auch noch.
Worum es diesmal bei dem Streit in der Koalition ging, war, den Augenblick der Wahrheit noch ein wenig hinauszuzögern, am besten bis nach der nächsten Wahl. Es war ein Manöver zur Schadensbegrenzung, ohne das grundsätzliche Problem anzugehen, für das es nur eine Lösung geben dürfte: Das ganze Paket der "Klimaschutz"-Gesetze zu entsorgen, und zwar – wenn möglich – noch ehe von Deutschland nichts mehr übrig ist.
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